Interview

Andreas Krall

Smarboo: Ihre Auftritte scheinen durch den historischen Aspekt sehr ausgefallen zu sein. Wie sind Sie darauf gekommen, als historische Charaktere aufzutreten?
Andreas Krall: Vor der Zauberkunst war die Musik und ich habe eigentlich schon immer die einfache Musik bevorzugt, Musik, mit der man gemeinsam Freude haben kann, Musik, bei der jeder spontan dabei ist. Wenn man mal von Fußballgesängen absieht, findet man das am ehesten in der traditionellen und in der alten Musik. Ich liebe es, Kostüme zu tragen und Auftritte zu inszenieren, da lag es bei alter Musik einfach nahe, dazu passend einen mittelalterlichen Spielmann darzustellen. Im Laufe der Zeit kamen dann andere Epochen und Figuren dazu und die Zauberkunst gewann die Überhand über die Musik.

Smarboo: Sie sagen, Ihr Interesse am Theater begann bereits in der Schule. Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Stück, und an die Rolle, die Sie dort gespielt haben?

Andreas Krall: Ja, ich erinnere mich daran und die ersten Stücke, die wir gespielt haben, haben mein Verhältnis zum Theater bis heute geprägt. Das erste Stück war eine klassische Schultheater-Inszenierung unter Leitung einer Deutsch-Lehrerin. Der Text stand im Mittelpunkt und am Ende war es genau das: auswendig daher gesagter Text und für alle eher langweilig. Dann übernahm Shirley Shilling, die Kunstlehrerin, die Theatergruppe. Statt Textrezitation waren nun Bilder und Emotionen wichtig. Statt auf der Bühne Erwachsene zu imitieren durften wir spielfreudige Jugendliche sein. Das war großartig für uns! „Der Eingebildete Kranke“ von Molière war voller Witz und Bildhaftigkeit. Es gibt ein Foto von mir, das mich mit einer aus Schreibmaschinenpapier selbst gebastelten Perücke zeigt. Da war ich also auch schon mal in einer Barock-Figur zu sehen. Das Ganze kam auch beim Publikum sehr gut an. Die Zahl der Vorstellungen stieg von Jahr zu Jahr, mit dem Molière waren wir bei den Bayerischen Schulspieltagen, mit „Anne Frank“ dann später bei den Bundesschulspieltagen.

 

Smarboo: Wie genau nehmen Sie es bei Ihren historischen Darstellungen?

Andreas Krall: Das ist ein sehr zweischneidiges Schwert! Einerseits würde ich sagen, dass ich sehr genau bin: ich lese viel über die darzustellende Zeit, suche insbesondere intensiv nach Literatur über die Musikanten und Spielleute, die zeitgenössischen Gaukler und Künstler. Wir spielen ja auch für Museen oder bei Reenactmentveranstaltungen – da wird das erwartet.

Allerdings lässt sich das niemals eins zu eins umsetzen. Im mittelalterlicher Minnesang ist beispielsweise der Text von größter Bedeutung. Wenn ich die Botschaft des Liedes nicht „rüberbringe“, dann findet der wesentliche Aspekt des Minnesanges nicht statt. Wenn ich andererseits den Text in modernes Deutsch übertrage, damit die Botschaft das Publikum erreicht, dann verliere ich natürlich den originalen Klang der alten Sprache.

Egal ob Musik oder Zauberei – ein Konzert- oder Varietépublikum, wie wir es kennen, gibt es erst seit dem 18. Jahrhundert. Bei den meisten Auftritten ist der komplette Kontext, die Haltung des Publikums wie auch des Künstlers, schon komplett falsch.

Die historische Darstellung ist deshalb immer ein Kompromiss. An erster Stelle steht für mich das Publikum. Ich suche mir deshalb als Ausgangspunkt Themen oder Motive aus, die auch für heutige Menschen interessant sind. Bei der Zauberkunst des Barock ist das beispielsweise die Vermischung von Technik (Automaten), unterhaltsamer Zauberkunst (Tricks) und Aberglauben (scheinbar „echter“ Zauber). Das ist authentisch und das finden viele Leute auch heute noch sehr spannend. Auch meine Kleidung wähle ich hochwertig und möglichst originalgetreu – das macht die Darstellung stimmig und auch modernes Publikum nimmt das wahr.

Die Sprache und Dramaturgie sind aber eher modern, weil die Originalsprache in ihrer blumigen Weitschweifigkeit ein modernes Publikum sicher langweilen würde.

 

SmarbooHaben Sie ein bestimmtes Vorbild, oder gibt es einen Schauspieler oder Zauberer, der Sie besonders fasziniert?

Andreas Krall: Der Begriff des „Vorbildes“ klingt für mich so, als ob man so sein wollte wie ein anderer, als ob man ihn „nachempfinden“ oder sogar kopieren wollte. Das finde ich ganz furchtbar. Also in diesem Sinne habe ich sicher kein „Vorbild“.

Aber wenn es um bestimmte Teil-Aspekte der Kunst geht, gibt es natürlich Künstler, die ich bewundere, von denen ich lerne und denen ich nacheifere. Es gibt brillante Techniker, tolle Redner, Meister der Vielseitigkeit, Zauberer mit perfektem Timing oder mit einem wunderbaren Humor.
Eine Person, die mich fasziniert und inspiriert, ist beispielsweise Alex Porter aus der Schweiz. Bei ihm fasziniert mich besonders die Inszenierung der einzelnen Kunststücke. Das ist großartig und ich kenne keinen zweiten Zauberkünstler, dem es so traumhaft gelingt, Musik und Zauberkunst zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden. Sehr, sehr empfehlenswert!

 

Smarboo: Gibt es eine bestimmte Art Veranstaltung, für die Sie besonders gerne gebucht werden?

Andreas Krall: Die historischen Figuren werden natürlich besonders gerne für entsprechende Veranstaltungen oder ein passendes Ambiente gebucht: beim Schlossfest, beim Rittermahl, beim historischen Markt oder beim Stadtjubiläum.

Aktuell gibt es recht viele Hochzeiten und runde Geburtstage, die sich für ein historisches Ambiente entscheiden und dazu auch entsprechende Künstler buchen. Ich bin also des Öfteren bei Familienfeiern im Weingut oder bei Firmenfeiern im Gewölbekeller zu finden.

 

 

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben. Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen“

 

Smarboo: Gibt es, im Gegenteil dazu, Arten an Veranstaltungen, auf denen Sie lieber nicht auftreten? 
Andreas Krall: Kindergeburtstage. Die Unterhaltung von Kindern ist nicht umsonst ein eigenes Fachgebiet mit Spezialisten, die sich ganz darauf konzentrieren. Dazu gehöre ich nicht.

Smarboo: Welche Ausstattung benötigst du für deinen Auftritt? Müssen die Veranstalter selbst etwas bereitstellen?
Andreas Krall: 
In der Regel bin ich pflegeleicht – das höre ich auch als Feedback von Veranstaltern. Ich brauche nur etwas ruhigen Platz, wo ich mich vorbereiten kann und natürlich im Vorfeld eine Information, was benötigt wird. Bis 100 Personen spiele ich ohne Verstärkung, meistens auch ohne Bühnenlicht. Für ein Publikum bis zu ca. 200 Personen kann ich aber auch alles, was benötigt wird (Bühne, Licht, Ton), mitbringen.

Smarboo: Gibt es einen vergangenen Lieblings-Auftritt, der Ihnen ewig in Erinnerung bleiben wird?
Andreas Krall: Der „Ballo di Casanova“ in Graz ist für mich jedes Jahr wieder ein Highlight. Wir spielen dort für über 1.000 Gäste in einem wunderbaren Saal und es ist toll zu sehen, wie gut unsere Arbeit dort funktioniert. Wir spielen ja sonst meistens für kleinere Veranstaltungen. Im ersten Jahr waren wir noch als „Walk-Act“ gebucht, im Jahr darauf hatten wir einen kleinen Saal mit knapp 100 Personen zu bespielen und seit einigen Jahren führen wir im großen Saal als Moderatoren durch den Abend.

Eine Anekdote, die ich dazu gerne erzähle, ist, wie sich unser „Aufstieg“ auch hinter der Bühne dargestellt hat: während wir im ersten Jahr in einer Sammelumkleide mit anderen Walk-Acts und Tänzern untergebracht waren, haben wir mittlerweile die „Künstlergarderobe Nr. 1“ mit eigenem Badezimmer und anderen Annehmlichkeiten ganz für uns. Auch das macht den Auftritt in Graz zu etwas Besonderem.

Smarboo: Gibt es eine lustige Anekdote aus Ihrem Beruf? Etwas, worüber Sie im Nachhinein lachen können?
Andreas Krall: Ja, natürlich, beispielsweise als unser Hund sich hinter der Bühne freigemacht hat und mitten in einem todtraurig-dramatischen Lied auf die Bühne trottete, verwundert über das Gekichere ins Publikum schnüffelte und sich dann mit laut hörbarem Seufzer zu uns legte. Wir haben das Lied tapfer zu Ende gespielt.

Im Laufe der Jahre passieren natürlich immer wieder Sachen, über die man sich später amüsieren kann. Einmal wurde mir ein Kostüm zu spät geliefert und vor dem Auftritt halbfertig auf dem Körper hängend zu Ende genäht.
Eine tolle Aktion war es, als ich bei einem Dorffest spielen sollte und vor Ort erst feststellen musste, dass es keine Bühne gab. Mit ein paar Tischen und Kabelbindern sowie unter tatkräftiger Unterstützung der freiwilligen Feuerwehr wurde eine abenteuerliche Bühne gebastelt. Aus Bierkisten entstand die Show-Treppe. Ich hatte den ganzen Abend Angst, abzustürzen, aber die Feuerwehr hatte solide gearbeitet und die Stimmung war nach dieser Gemeinschafts-Bau-Aktion großartig.

Smarboo: Nennen Sie uns bitte ein Zitat, das Ihre Laufbahn wiederspiegelt und prägte.

Andreas Krall: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben. Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen,…“

Diese Zeilen von Hermann Hesse begleiten mich schon ewig und haben in dieser Zeit mehrmals ihre Bedeutung für mich verändert. Das Zitat hat mich als junger Mann ermutigt, Veränderungen in meinem Leben zuzulassen oder bewusst den nächsten Schritt zu gehen. Später fand ich das Zitat ganz furchtbar, weil ich mir eingestehen musste, dass ich es auch als Ausrede benutzte, um mich aus Lebensräumen zu verabschieden oder zu „verdrücken“, in denen ich noch Verantwortung gehabt hätte. Heute schätze ich es wieder sehr. Ich habe gerade in den letzten Jahren meine Existenz als Unternehmer „durchschritten“ und zu einem Ende gebracht. Man kann aber die Beziehung zu Mitarbeitern oder Kunden nicht einfach abschneiden, man hängt an seinen Projekten und Geschäftsideen. Das Zitat ermutigt mich heute, trotzdem konsequent Schritt für Schritt zu gehen, dabei aber im Gegensatz zu meinen Jugendjahren nicht einfach in den nächsten Lebensraum zu „springen“ und einen Scherbenhaufen zu hinterlassen, sondern ihn einigermaßen verantwortungsbewusst bis zu einem vernünftigen Ende zu „durchschreiten“.
So bin ich nun 100% Künstler und bin mir sicher, dass es auch hier noch viele Räume zu durchschreiten gibt.

 

An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal recht herzlich beiAndreas Krall für das Interview bedanken.

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